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Prävention und Therapie bei Adipositas Prävention und Therapie-Strategien bei Adipositas Einleitung
Die vielfältigen gesundheitlichen Folgen der Adipositas rücken immer mehr in das Zentrum ärztlichen Interesses. Begreifen wir Better Aging Medizin als ein präventiv-medizinisches Gesamtkonzept, so kommt der Vorbeugung bzw. der Behandlung der Adipositas eine zentrale Rolle zu.
Ähnlich wie die Hypertonie ist auch die Adipositas das Resultat aus genetischer Prädisposition und Lebensstilfaktoren. Bei den letzteren ist es vor allem die übermässige kalorische Zufuhr kombiniert mit einem Mangel an Bewegung, die zu jener «positiven kalorischen Bilanz» führt, die letztlich die Grundlage für die Ausbildung von Übergewicht darstellt. Und ähnlich wie die Hypertonie oder der Diabetes mellitus wird auch die Adipositas (BMI>30) inzwischen nicht mehr lediglich als Risikofaktor sondern vielmehr als eine eigenständige Erkrankung angesehen. Dies entspricht auch der neuen Definition der Weltgesundheitsorganisation. Adipositas und endokrine Erkrankungen
Adipositas wird zumeist noch immer lediglich in Zusammenhang mit kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen gesehen. Folglich sind es bisher im wesentlichen Kardiologen und Diabetologen, die sich intensiv mit der Adipositastherapie beschäftigen. Adipositas ist aber auch ein Co-Faktor für eine Vielzahl von endokrinen Erkrankungen. Der Grund hierfür liegt vor allem in der hormonellen Aktivität des Fettgewebes. Fettgewebe ist ja nicht nur ein Energiespeicher für übermässig zugeführte Kalorien sondern ein endokrines Organ - und dies in doppelter Hinsicht. Zum einen findet im Fettgewebe die Produktion biologisch aktiver Östrogene durch Aromatisierung von Androgenen statt. Das Fettgewebe ist damit der wichtigste Ort der extraovariellen Östrogenproduktion. Zum anderen sezernieren die Adipozyten - gesteuert durch das obesity (ob) Gen - ein eigenes Hormon, das Leptin, welches ähnlich wie das Östrogen einem hypophysär gesteuerten Regelkreis unterliegt. Neuere Studien zu dem erst 1994 entdeckten Leptin legen nahe, dass eine Störung des Leptinregelkreises, wahrscheinlich im Sinne einer Septinresistenz, eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und dem Unterhalt der Adipositas spielt.
Darüber hinaus gibt es offensichtlich enge Zusammenhänge zwischen dem Östrogen- und dem Leptinstoffwechsel. Leptin-Östrogen-Interaktionen sind wahrscheinlich der entscheidende Faktor für das Einsetzen der Menarche und auch verantwortlich für die bei anorektischen Frauen häufig zu beobachtende Amenorrhoe.
In der täglichen Praxis von entscheidender Bedeutung sind allerdings weniger die Störungen des Leptinstoffwechsels als die hormonellen Dysfunktionen, die durch die bei adipösen Patientinnen anzutreffende Hyperöstrogenämie ausgelöst werden. Durch die vermehrte Konversion von Androgenen zu Östrogenen im überreich angelegten Fettgewebe adipöser Patientinnen steigt die Östrogenkonzentration im Blut, was eine Störung der pulsatilen LH-Sekretion nach sich zieht. Dies ist verantwortlich für die bei adipösen Patientinnen häufig anzutreffenden Zyklusstörungen und kann bei fortgeschrittenen Fällen bis zur Sterilität führen. Der erste therapeutische Schritt in der Behandlung einer Sterilität bei einer adipösen Patientin besteht daher in der Einleitung einer Gewichtsreduktion.
Die Aromatisierung von Testosteron zu Östrogenen findet auch im männlichen Fettgewebe statt. Adipöse Männer weisen daher zumeist erniedrigte Testosteron- bei gleichzeitig erhöhten Östrogenspiegeln auf. Äussere Zeichen dieser Hormondysbalance ist eine Feminisierung der Körpersilhouette (Hüftspeck, Gynäkomastie). Eine Aromatasehemmung durch Abbau von Fettgewebe korrigiert diese hormonelle Dysbalance und lässt die körpereigenen Testosteronspiegel wieder ansteigen («Ein guter Hahn wird nicht fett»).
Darüber hinaus ist Übergewicht auch ein Risikofaktor für bösartige Erkrankungen. Von den vier wesentlichen gynäkologischen Malignomen sind zwei, nämlich das Endometrium und das Mammakarzinom eindeutig Adipositas assoziiert. Die in vielen Lehrbüchern noch immer zitierte klassische Trias von Risikofaktoren für das Endometriumkarzinom - Adipositas, Hypertonie und Diabetes mellitus - ist im Grunde keine echte Trias. Risikofaktor für das Endometriumkarzinom ist allein die Adipositas. Hypertonie und Diabetes mellitus sind ihrerseits nur Folge des Übergewichtes. Der pathogenetische Zusammenhang erklärt sich wiederum aus der gesteigerten Östrogensekretion des Fettgewebes, die zu einer Dauerstimulation des Endometriums, ohne die gleichzeitige protektive Antagonisierung durch Gestagene führt. Die proliferative Wirkung der Östrogene auf die Brustdrüse ist schliesslich auch verantwortlich für die erhöhte Rate an Mammakarzinomen bei postmenopausalen adipösen Frauen. Bei adipösen Männern zeigt sich eine erhöhte Inzidenz des Prostatakarzinoms.
Wohl kaum ein anderer statistischer Zusammenhang ist in der Medizin so gut belegt und abgesichert wie der zwischen Körpergewicht, Morbidität und Lebenserwartung. Bereits in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts kalkulierten amerikanische Versicherungskonzerne ihre Lebensversicherungsprämien im wesentlichen anhand von Gewichtstabellen der potentiellen Kunden.
Bis zu welchem Punkt aber ist Übergewicht ein im wesentlichen kosmetisches oder allenfalls psychologisches Problem und ab wann bedarf es einer medizinischen Intervention? Die WHO hat hierzu sehr klare, international verbindliche Richtlinien geschaffen. Die Einteilung in Normalgewicht, Übergewicht und Adipositas erfolgt nach dem Body Mass Index (BMI). Dieser ist definiert als das Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körperlänge in Metern zum Quadrat. Als Normalgewicht gilt ein BMI von 18,5 bis 24,9. Ab einem BMI von 25 beginnt das Übergewicht (Präadipositas). Die Adipositas selbst ist definiert als ein Body Mass Index > 30. Ab dieser Grenze wird generell die Einleitung einer Therapie empfohlen, bei einem BMI zwischen 25 und 29,9 allerdings auch dann, wenn bereits ernährungsbedingte Erkrankungen vorliegen.
Zusätzlich zum BMI sollte auch die Taille-Hüft-Koeffizient (Waist to Hip Ratio, WHR) bestimmt werden. Dies dient insbesondere zur Differenzierung zwischen der androiden Adipostas mit einer Fettakkumulation vorwiegend im abdominalen Bereich (Apfeltyp) und der gynoiden Fettverteilung mit Körperfettdepots hauptsächlich im gluteo-femoralen-Bereich (Birnentyp). Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass die abdominal betonte Adipositas einen wesentlich höheren Risikofaktor für die Ausbildung kardiovaskulärer Erkrankungen darstellt als die gynoide Form. Normal ist ein WHR bis zu 1,0 bei Männern und ein Wert bis zu 0,85 bei Frauen. Neuere Arbeiten schlagen vor, dass auch die Messungen des Bauchumfanges alleine eine aussagekräftige und praktische Methode zur Risikobestimmung ist.
Therapie der Adipositas
Adipositas ist eine über einen langen Zeitraum entstandene chronische Erkrankung. Sie lässt sich nicht durch kurzfristige Massnahmen korrigieren. Dies muss am Anfang jeder Therapie sowohl dem Patienten als auch dem behandelnden Arzt klar sein. Klar werden sollte man sich auch über die angestrebten Therapieerfolge. Nur wenigen Patienten gelingt es, auf Anhieb ihr Ausgangs- oder Normalgewicht wieder zu erreichen. Dies sollte auch nicht Ziel einer Adipositastherapie sein. Vielmehr muss bereits eine Reduktion des Ausgangsgewichtes um 10 % oder zwei BMI-Punkte als guter Erfolg angesehen werden, wenn es gelingt, diese Gewichtsreduktion langfristig zu stabilisieren. Vielen Patienten erscheint eine solch moderate Gewichtsreduktion zunächst als wenig sinnvoll. Grosse epidemiologische Studien haben aber gezeigt, dass bereits der Verlust von 5 - 10 % des Körpergewichtes zu einer hochsignifikanten Verbesserung der adipositasassoziierten Morbidität führt.
Ernährungsumstellung
Auf Grund der komplexen Ätiologie der Adipositas empfiehlt sich ein integriertes Behandlungskonzept. Im wesentlichen ist die Adipositas noch immer die Folge falschen Essverhaltens, sodass die Grundlage jeder Adipositastherapie eine Diät oder besser eine Ernährungsumstellung ist. Hierbei ist vor einer zu radikalen Kalorienreduktion, etwa im Sinne des Fastens bzw. Heilfastens, zu warnen. Extrem niedrigkalorische Diäten führen meist nicht zu einem Abbau von Fettgewebe sondern eher zum Verlust von stoffwechselaktiver Muskelmasse. Ebenso sind alle Diäten mit sehr einseitiger Nährstoffauswahl abzulehnen. Dies sind die meisten der sogenannten Crash- bzw. «Wunderdiäten». All diese Diäten sind zumeist lediglich auf einen raschen Gewichtsverlust angelegt. Eine langfristige Ernährungsumstellung wird nicht erreicht, so dass nach einer anfänglichen Gewichtsabnahme der gefürchtete Jo-Jo-Effekt, also die ebenso schnelle erneute Gewichtszunahme, vorprogrammiert ist.
Ernährungsphysiologisch empfehlenswert sind Diäten, die auf dem Prinzip der «kalorienreduzierten Mischkost» basieren. Sie weisen eine ausgewogene Nahrungszusammensetzung auf und sollten ca. 800 - 1200 kcal pro Tag enthalten. Neuere Ansätze empfehlen statt einer allgemeinen Kalorienreduktion eher die gezielte Reduktion der Nahrungsfette bei weitgehender Liberalisierung der Kohlenhydratzufuhr. Der vorübergehende Einsatz von Formuladiäten im Rahmen einer Ernährungsumstellung bewirkt nachgewiesenermassen einen schnelleren Gewichtsverlust. Wichtig ist allerdings auch hier die begleitende Ernährungsberatung, die zu einer langfristigen Umstellung des Essverhaltens der Adipösen führt.
Verhaltenstherapie
Essen ist ein integraler und wichtiger Bestandteil unseren täglichen Lebens. Im Gegensatz zur Behandlung des Alkoholikers, bei dem die vollständige Alkoholabstinenz angestrebt wird, ist es für den Adipösen nicht möglich, mit dem Essen einfach aufzuhören. Essen müssen wir alle und zwar mehrmals täglich, so dass Adipöse stets aufs neue mit ihrem Problem konfrontiert werden. Ernährungsberatung ist daher immer auch Verhaltenstherapie.
Am Anfang jeder Verhaltenstherapie steht dabei das Gespräch darüber, was der Patient im Rahmen der Gewichtsreduktion erreichen möchte. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass hier zumeist völlig überzogene Vorstellungen bestehen. Deshalb ist es von ganz entscheidender Bedeutung, dass der Adipöse auch einen moderaten Gewichtsverlust als Erfolg anzusehen lernt. Erfolg stabilisiert, Misserfolg destabilisiert Verhalten. So lautet einer der wesentlichen Grundsätze der Verhaltenstherapie. Ob ein Gewichtsverlust von 10 kg als Erfolg oder als Misserfolg gewertet wird hängt allerdings ganz wesentlich von der Erwartungshaltung ab, mit der die Gewichtsreduktion begonnen wurde. Hier gilt es, bereits im Vorfeld die Weichen richtig zu stellen.
Wichtig ist in der Verhaltenstherapie auch, keine rigiden Verbote auszusprechen, sondern eher mit flexiblen Kontrollmechanismen zu arbeiten. Strikte Verbote («ab morgen nie wieder Schokolade») werden in den wenigsten Fällen eingehalten. Werden sie gebrochen, so steht zumeist die ganze Therapie in Frage («jetzt ist es eh Wurscht»). Flexible Kontrollmechanismen («statt sieben nur noch fünf Tafeln Schokolade pro Woche») geben dem Patienten die Gelegenheit, die Ernährungsumstellung auch dann fortzuführen, wenn er/sie auch einmal «gesündigt» hat.
Bewegungstherapie
Eine «positive kalorische Bilanz» entsteht nicht nur durch die übermässige Zufuhr von Kalorien sondern auch durch deren ungenügende Verbrennung. Übergewicht ist nicht nur die Folge falscher Ernährung, sondern auch eine Bewegungsmangelerkrankung. Aus diesem Grunde ist die Steigerung der körperlichen Aktivität ein unverzichtbarer Bestandteil jeder erfolgreichen Adipositastherapie.
Entscheidend bei der Bewegungstherapie ist dabei nicht so sehr der direkte Verbrauch von Kalorien im Rahmen der sportlichen Betätigung (dieser wird sogar zumeist überschätzt), als vielmehr die langfristige Steigerung des Grundumsatzes durch den Aufbau zusätzlicher stoffwechselaktiver Magermasse. Bewegungstherapie unterstützt somit nicht nur den Prozess der Gewichtsabnahme sondern beugt besonders effektiv einer erneuten Gewichtszunahme vor.
Die Art der sportlichen Tätigkeit ist dabei weniger wichtig als die Tatsache, dass diese regelmässig und langfristig durchgeführt wird. Im allgemeinen werden ca. 30 Minuten körperliche Aktivität drei mal wöchentlich empfohlen. Insbesondere bei schwer adipösen Patienten, die häufig seit Jahrzehnten keinerlei Sport mehr ausgeübt haben, bedarf es hierzu jedoch häufig einer besonderen Motivation und einer vorsichtigen Anleitung durch einen speziell geschulten Bewegungstherapeuten.
Pharmakotherapie
Nach einer Reihe enttäuschender Rückschläge in der Vergangenheit hat die Pharmakotherapie der Adipositas durch die Einführung von zwei innovativen Substanzen während der letzten Jahre entscheidende neue Impulse bekommen. Orlistat (Xenical®) ist ein Lipasehemmer, der durch die Inhibition der pankreatischen und intestinalen Lipase die Fettresorbtion aus dem Darm um bis zu 30 % senkt. Als rein lokal wirkendes Medikament ist mit zentralen Nebenwirkungen bei dieser Substanz nicht zu rechnen. Unangenehm sind allerdings die unter Orlistattherapie auftretenden Fettstühle, die durchaus auch einmal unwillkürlich abgehen können. Diese treten vor allem dann auf, wenn unter der Einnahme des Medikamentes sehr fettreiche Nahrungsmittel konsumiert werden. Insofern führt Orlistat auch zu einer Verhaltensmodifikation im Sinne einer fettreduzierten Ernährung, die wahrscheinlich nicht unerheblich zur Gewichtsreduktion beiträgt.
Im Gegensatz zum lokal wirkenden Orlistat greift das zentral wirkende Sibutramin (Reductil®) dort ein, wo der Hunger entsteht - im zentralen Nervensystem. Sibutramin ist ein Serotonin/Noradrenalin Reuptake-Hemmer und unterscheidet sich pharmakologisch von den früheren sogenannten Appetitzüglern, die wegen potenzieller Suchtgefahr und anderer Nebenwirkungen in Verruf geraten sind.
Die Beeinflussung des Serotoninstoffwechsels dämpft das Hungergefühl bzw. führt zu einem schnelleren Aufkommen des Sättigungseffektes. Dies führt konsekutiv zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und somit zu einer Gewichtsreduktion.
Beide Medikamente haben in grossen Studien ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Sie ersetzen allerdings keineswegs eine Ernährungsumstellung sondern können diese allenfalls wirkungsvoll unterstützen. Weitere Präparate zur Behandlung der Adipositas werden in absehbarer Zeit auf den Markt kommen, so dass dem Arzt in Zukunft auch ein differenziertes therapeutisches Spektrum zur Behandlung dieses dringenden gesundheitlichen Problems zur Verfügung stehen wird.
Chirurgische Therapie,
Chirurgische Massnahmen sollten immer dann in Erwägung gezogen werden, wenn ein Body Mass Index > 40 besteht, bzw. Bei einem niedrigen BMI schwere Adipositas assoziierte Erkrankungen vorliegen und der Patient mit konservativen Massnahmen keine Besserung erzielt. Therapie der Wahl ist dabei inzwischen das verstellbare Magenband (Gastric Banding), das um den Mageneingang gelegt wird und es dem Adipösen erlaubt, nur noch sehr kleine, gut gekaute Mengen an Nahrung zu sich zu nehmen. Der Eingriff kann auf laparoskopischem Wege vorgenommen werden. Die Erfolge sind mit Gewichtsabnahme von 30 - 40 kg pro Jahr häufig dramatisch.
Fettschürzenplastiken bzw. die Fettabsaugung (Liposuction) sind keine chirurgischen Massnahmen zur Adipositastherapie sondern allenfalls ästhetische Eingriffe bei lokalen Fettverteilungsstörungen. Schlussfolgerung
Adipositas wird inzwischen als eigenständige Erkrankung angesehen. Sie hat unmittelbare Auswirkungen auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität. Damit wird die Behandlung bzw. die Prävention der Adipositas zu einem zentralen Bestandteil der Better Aging Medizin.
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